Farbmalerei   
Von Joachim Kreibohm

Die Arbeiten der 1964 geborenen Künstlerin reflektieren die Grundbedingungen der Malerei. Antje Smollich löst sich vom traditionellen Tafelbild und eingeschworenen Bildkonventionen, entgrenzt das klassische Material der Malerei, um sich dennoch Themen der Malerei wie Licht, Farbe und Transparenz zu widmen. Die Verdinglichung malerischer Vorgänge ist zum zentralen Thema geworden. Statt mit Pinsel, Quast und Leinwand arbeitet sie mit industriellen Materialien wie Holz- und Acrylglasplatten, die mit Acrylfarbe und pigmentiertem Binder bzw. Kleber zusammengefügt, geschichtet und gegeneinander verschoben werden. Aus diesen Verschiebungen resultieren nuancenreiche Farbverläufe – von opak bis diaphan. Die Acrylglasscheibeüberlappt die Grundplatte, die mitgeführte Farbe fungiert zugleich als Haftmittel. 
Somit wird die Scheibe zum Pinselersatz. In früheren Werkgruppen verwendet Antje Smollich stets mehrere Platten unterschiedlicher Größe, vielfach finden Rotationen statt. in den aktuellen Arbeiten liegt die Acrylglasplatte zunächst deckungsgleich auf der Holzplatte, anschließend wird sie – in der Vertikalen oder in der Horizontalen – auf dem Bildträger verschoben. stets kommen nur eine Grundplatte und eine Scheibe zum Einsatz, die Verschiebung vollzieht sich gekonnt in einer einzigen Bewegung. Die Arbeiten treten dem Betrachter reduzierter gegenüber, auf eine Vielzahl von Schichten und Drehungen wird verzichtet. So entsteht ein klar umrissenes Set von Möglichkeiten, die Grenzen der Schwerkraft werden ausgelotet. Der Formprozess aber ist auch danach nie vollständig abgeschlossen, das Material arbeitet durch Kälte und Wärme weiter, indem es sich zusammenzieht oder ausdehnt. Bei der Arbeit in der Sammlung der Sparkasse Stade-Altes Land bleibt der Bezugspunkt die Wand, sie fungiert als Träger. In jüngerer Zeit sind Arbeiten entstanden, deren Ausgangspunkt wiederum die Wand ist, die sich aber entschieden in den Raum bewegen. Mal klappen die Platten sanft auseinander, mal entstehen regelrecht Krümmungen oder Wellungen.
Für Antje Smollich ist wesentlich, dass der Arbeitsprozess als Bestandteil des Werks transparent und nachvollziehbar bleibt. Die Konstruktion der Bilder wird offengelegt, der Arbeitsprozess ist ablesbar. Das Prozesshafte, das Werden der Form kann mitvollzogen und weitergedacht werden. Jedoch offenbaren sich ihre Arbeiten nicht lückenlos, der Betrachter gerät in einen Grenzbereich zwischen Klarheit und Vermutung. Ambivalenzen und Paradoxien durchziehen und prägen ihr Werk. Die Arbeiten sind flächig und raumbezogen, materiell und immateriell, transparent wie undurchdringlich. Konzept und Zufall, Leichtigkeit und Schwere, Stabilität und Bewegung machen das Spannungsgefüge ihrer Arbeiten aus. Sie bewegen sich zwischen Wand und Raum, zwischen Tafelbild und plastischem Objekt und können als Metapher gedeutet werden für das, was Malerei sein kann: konkrete Materie wie auch Transportmittel für transzendente Substanz.