Transparenzen  
Von Christian Krausch

 

[...] Im Gegensatz dazu lotet Antje Smollich mit ihren hängenden oder lehnenden Bild-(objekten), Bildplastiken oder raum- und architekturbezogenen Installationen die Grenzen des Malereibegriffs in Form und Inhalt neu aus. Dabei werden neben rein visuellen auch physikalische und chemische Phänomene visualisiert, etwa dann, wenn sich in den Arbeiten „SCAN“ und „FRACAS“(grün-vertikal) die Acrylglasplatte unter ihrem Eigengewicht dem Betrachter entgegen in den Raum neigt. Smollichs Hauptmaterial ist farbiges transluzentes Acrylglas, das sich durch seine kristallinen Materialeigenschaften wie auch durch seinen Flexibilität und Leuchtkraft auszeichnet. Zugleich verleiht es den Bild-(objekten), neben ihrem nüchternen, industriellen Charakter, eine poetische Anmutung und vermittelt darüber hinaus den Eindruck schwebender Leichtigkeit, Immaterialität und reiner Farbenergie. Statt mit Pinsel und Farbe arbeitet Smollich mit Holz- und Acrylglasplatten sowie mit pastos aufgetragener Farbe, Binder oder Kleber, die die einzelnen Materialien miteinander fixieren. Aus Verschiebungen der Platten auf der noch flexiblen Klebeschicht resultieren nuancenreiche Farbverläufe, sowie sich im weiteren Trocknungsprozess herausbildende Farbstrukturen. Unter Lichteinfall arrangieren sich neue Linien und belebte Flächen sowie eine feine Transparenz und Fragilität der vollendeten Arbeit. Letztlich entsteht eine unverwechselbare Bildsprache, in der Spannung durch Gegensätze erzeugt wird. Denn der optische Ausdruck einer schwebenden Leichtigkeit steht gegen reale Schwere, das industrielle Material gegen die künstlerisch-kombinatorische Bearbeitung; das kalkulierte, nachvollziehbare Konzept der Bildfertigung gegen Zufall und den Schein des geheimnisvoll Schönen und Vieldeutigen „So wenig diese Bildobjekte konventionellen Vorstellungen von Malerei entsprechen, so stellt sich in ihnen doch die entmaterialisierte Kraft der Farbe dar“, erkennt Ernst-Gerhard Güse bereits 1998 das Prinzip von Smollichs Werken. „Sie werden zu Farberscheinungen, die vor den Wänden zu schweben scheinen. Ihre unregelmäßigen Begrenzungen öffnen sie in den umgebenden Raum.“ Und in der Tat spielen ihre Arbeiten mit dem Raum, dem sie sich nicht nur öffnen, sondern der gelegentlich als Spiegelbild in die Arbeiten Eingang findet. So verleiht Smollich nicht allen Arbeiten jenen opaken, sinnlichen Reiz, indem sie das Acrylglas schleift, sondern es in seiner industriellen spiegelnden Glätte belässt. Das Glas erscheint dadurch transparenter und zugleich irritierender für den Betrachter, da sich vor seinen Augen zwei fremde Welten, die der konkreten farbigen Materie und die der immateriellen Spiegelung, vereinen wollen. Hierin liegt eine Parallele zu Rohlfings Werke, die nicht minder mit der Wahrnehmung der Betrachter spielen. Doch wo Farbe bei ihr meist immateriell zur Wirkung der Arbeiten beiträgt, empfindet Smollich den Einsatz der Farben „schon als Malerei – mit anderen Mitteln, weil es sich mit den Themen der Malerei beschäftigt: Licht, Farbe, Transparenz und Flächigkeit.“ [...]